Bevor ich den Eigensinn gewissermaßen als Schreibinstrument entdeckt habe, hatte ich immer schon den Verdacht: Unter dem Begriff „kreatives Schreiben“ vereinen sich die tollsten und die seltsamsten Ansätze.

Was für mich toll ist, lässt sich in einem Satz sagen: Alles, was uns frei(er) macht, uns zu uns selbst, unseren Gedanken, Erinnerungen, Assoziationen, Emotionen führt.

Regeln dürfen außer Kraft gesetzt werden. Müssen aber nicht

Dabei werden oft erst einmal alle Regeln außer Kraft gesetzt, bevor sie später vielleicht – sinnvoll! – wieder zusammengeführt werden. Dieser Prozess kann ganz simpel sein: Heb alle grammatikalischen und sonstwie sprachlich einengende Grenzen auf. Noch nicht einmal die Rechtschreibung muss zwingend beachtet werden (macht aber allein wegen der Verständlichkeit des Geschriebenen meistens doch Sinn…) Was auf diese Weise entsteht, kann lautmalerisch sein, ist fast immer assoziativ. Und führt nicht selten zu lyrischen Formen. Denn gerade Lyrik lebt oft davon, dass gängige Sprach-Regeln außer Kraft gesetzt werden. Nicht wenige Menschen schreiben auch gern morgens erst einmal auf, was ihnen durch den Kopf geht. So, wie es kommt. Unsortiert, ungefiltert. Frei eben.

Es kann aber auch genau das Gegenteil sehr sinnvoll und trotzdem kreativ sein: Such dir eine möglichst „kleine“, sprachliche Form. Ein Haiku zum Beispiel. Das hat sehr genaue „Konstruktionsregeln“. Der Rest aber darf frei assoziiert werden.

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Schreiben ist eine starke Kraft

Das waren ein paar simple Beispiele … Das kreative Schreiben kennt unendlich viele Anwendungsbeispiele. Und fast genauso viele Ziele: Uns frei(er) zu machen, im Denken, von scheinbar festzementierten Bildern, von „innerer Zensur“, sogar von Ängsten – all das ist möglich. Wieder sehr verkürzt: Darum stimmt es auch, dass kreatives Schreiben heilsam sein kann. Achtung: Wer dabei unsicher ist, sollte sich unbedingt professionelle Begleitung suchen. Denn das freie Schreiben kann auch unerwartet starke Kräfte entfalten.

Was mir dabei wichtig ist: Bei alldem geht es um die DIREKTE Umsetzung von Emotionen, Gedanken etc. in Sprache. Wo das geschieht, finde ich, dass das kreative Schreiben eine tolle Möglichkeit ist. Das, was ich auch gern als „eins der letzten Abenteuer, die uns heute noch bleiben“ bezeichne. Hier kommt meine Definition des Eigensinns ins Spiel: Wir können mit Sprache das ausdrücken, was uns zu eigen ist. Das, was für uns allein Sinn macht. Ohne nach rechts oder links, auf Regeln oder Fremd-Meinungen zu schielen.

Wovon ich mich distanzieren möchte

Doch es gibt auch Ansätze des kreativen Schreibens, bei denen kann ich nur noch den Kopf schütteln. Hauptunterschied zu dem eben Gesagten: Solche Ansätze zielen sehr direkt – manchmal fast schon diktatorisch – auf unsere Psyche ab. Wer solche Kurse anbietet und leitet, besteht oft darauf, dass das Hauptziel „Selbsterfahrung“, idealerweise sogar eine „psychische Wandlung“ sein müsse. In diesem Zusammenhang habe ich sogar schon die Meinung gehört, dass das Schreiben – als Handwerkszeug – der angestrebten Wandlung völlig im Weg stünde, dass das Schreiben dann bedeuten müsse, sich der eigenen Psyche zu entfremden. Da werden lieber gruppendynamischen Prozesse in einer sogenannten Schreibgruppe in den Mittelpunkt gerückt … Daraus soll dann Kreatives entstehen?!  Nichts könnte meinem Verständnis von kreativem Schreiben ferner sein. Und ich halte solche Ansichten für regelrecht gefährlich. Kurz: Davon möchte ich mich wirklich distanzieren.

Ein bisschen ausführlicher (und mit Literaturangaben) habe ich das übrigens in meinem Buch „Wer schreibt, darf eigensinnig sein“ dargelegt.

Grunddefinition von Kreativität

Was ich auch immer betone, ist: Man sollte erst einmal die Regeln kennen, die man später vielleicht  – mit Eigen-Sinn, also aus gutem Grund – aufheben möchte. Dann macht es wirklich Sinn. Dann ist es ein kreativer Akt, dann kann es uns freier machen, dann können wir mit alten Regel spielen, sie neu anordnen. So, wie es zu unserem Weg, zu unserem Sinn passt. Denn Kreativität ist – in seiner Grunddefinition – ja nichts anderes als eine Neu-Anordnung von schon lang Bestehendem.

Und das „biografische Schreiben“?

Für mich ist das kreative Schreiben ein Oberbegriff. Der kann bewusst bestimmten Regeln folgen, sehr eigensinnig werden oder irgendwo dazwischen liegen. Und das „biografische Schreiben“? Das ist für mich Teil des kreativen Schreibens. Denn alle biografischen Spuren gehören ja immer schon zu uns, sind das vermutlich wichtigste Material vieler Schreib-Ideen. Die Konsequenz liegt auf der Hand, für mich zumindest:

Biografisches Schreiben kann kaum anders als eigensinnig sein.

Fazit

Wegen einiger für mich ziemlich seltsamer Ideen zucke ich manchmal zusammen, wenn ich „creative writing“ oder „kreatives Schreiben“ höre. Vieles davon wird mittlerweile auch an Universitäten gelehrt. Oder in psychozentrierten Schreibgruppen. Damit hat es nicht selten auch extrem akademische Aspekte. Das entspricht so absolut nicht meinem Verständnis von Kreativität, dass ich froh bin, mit dem Begriff „eigensinniges Schreiben“ meinen eigenen Weg gefunden zu haben.

Und weil Eigensinn für mich immer ganz wesentlich auch auf den eigenen Erfahrungen beruht, ist das biografische Schreiben aus meiner Sicht fast schon zwangsläufig eigensinnig … Damit bringt der Eigensinn das kreative und das biografische Schreiben schon in unmittelbare Nähe. Ohne allzu große Theoriegebilde, sondern ganz simpel, ganz praktisch. Und das gefällt mir erst recht.


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Text und Bild: Maria Al-Mana,
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In „Wer schreibt, darf eigensinnig sein“ steht eigentlich schon alles Wichtige im Titel: Es geht um die praktische Realisierung des Schreibens mit Eigensinn, um Kreativität, aber auch um Selfpublishing. Da gibt es jede Menge Praxistipps, Übungen und Beispiele. Aber auch die Spiellust – meiner Ansicht nach ein wichtiges Schreib-Instrument – kommt nicht zu kurz. Zum Beispiel mit dem Selbsttest „Welcher Schreibtyp bin ich eigentlich?“ Der zieht sich – augenzwinkernd bis ernst – durch das ganze Buch.
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