Mittlerweile mag ich kaum mehr über den Eigensinn sprechen oder schreiben. Und obwohl ich beim Schreiben der drei Bücher immer mal wieder dachte: „Na, jetzt hast du den Bogen aber endgültig überspannt! So viel gibt das Thema Eigensinn doch gar nicht her! Drei ganze Bücher – bist du denn verrückt geworden?“ Trotzdem merkte ich immer wieder: falsch!

Eigensinn hat es in sich. In jeder Hinsicht. So viele Dinge, die sinnvoller werden, rückt man sie nur in einen ungewohnten, lange nicht oder noch nie gesehenen Zusammenhang. Dafür war ich schon immer prädestiniert – als Frau, die sich ständig zwischen allen Stühlen sitzen sah …

Mäandern und rundum blicken

In „Trotzdem“, ihrem Gespräch während Corona über Himmel und Hölle, Sterne und Verantwortung, „normale“ und nicht normale Zeiten, erzählt Ferdinand von Schirach, eine Journalistin habe ihm mal gesagt, für alle Menschen, die schreiben, „sei der beste Platz zwischen den Stühlen“. Und sein Gesprächspartner, Alexander Kluge, findet, das sei wahr: „Die besten Themen liegen zwischen allen Themen. Das noch nicht Geschriebene, das ist unser Arbeitsfeld.“

Ein bisschen Rundum-Blick gehört schon auch dazu, sonst ist der Platz „zwischen den Stühlen“ schnell immer nur der eigene Hosenboden. Oder die Welt der Stuhlunterseiten …

Dieses „Rundum“ habe ich ebenso versucht herzustellen wie das Mäandern, das ich im Erzählen so liebe. Alexander Kluge übrigens auch. Das „noch nicht Geschriebene“ – oder Gedachte – ist ein Arbeitsfeld, das wunderbar auf der Grundlage von Eigensinn gedeiht. Darum geht es. Unter anderem.

Auch um den Nutzen, den ich allen Menschen ans Herz legen möchte. Wieder und wieder. Den Nutzen von Eigensinn. Das Eigene. Den Sinn. Und die eigenverantwortliche Aneignung all dessen, was dem innewohnt, was Sinn macht. Selbstbestimmung und Reflexion. Nie schwarz-weiß, sondern in Abermillionen Schattierungen. Das war und ist meine Absicht. Und ich finde: Diese Art des eigenverantwortlichen Handelns ist eminent wichtig, für uns alle. Kreativ und mit allen Sinnen. Praktisch und praxisnah. Sinnvoll abgewägt – für uns, unsere Gesundheit, unsere Geschichte(n), Träume, Fundstücke und Erlebnisse, zugunsten einer inneren Haltung, mit der wir angemessen leben und immer wieder auch im Dienst von anderen stehen können. Gern auch systematisch, mathematisch, logisch – doch, das geht bestimmt auch. Ich gebe zu: Das kommt ein wenig zu kurz hier – ist ein Bereich, in dem ich mich selten aufhalte.

Stichwort Selbstermächtigung

Ja: Mein Credo ist, dass zuerst immer das ‚Ich‘ kommen sollte. Aber nur, um damit auch anderen nützen zu können. Und welcher Mensch kann das – außerhalb eines Klosters – schon, wenn er sich selbst dabei vergessen hat? Wie entstehen neue Wege, wenn es niemanden gibt, der sich voranzugehen traut? Wie können wir solche Wege gehen, wenn wir kein Ziel und vor allem keine eigene, innere Haltung dazu haben?

Diese Selbstermächtigung, die wünsche ich mir. Von uns allen. Und auch nach etwa vier Jahren der Beschäftigung mit dem Eigensinn fällt mir noch immer kein Begriff ein, der das alles besser zu packen kriegen würde als eben: Eigensinn. Der legt niemanden fest, lässt alles offen – für völlige Individualität. Zementiert niemals, was sinnvoll sein könnte – und was nicht. Das entscheidet jeder und jede Einzelne. Für sich. Aufgrund eigener Wünsche, Fähigkeiten, Befindlichkeiten, Erinnerungen, Erfahrungen, Eigenheiten … Wir bleiben frei.

Und doch ist Eigensinn alles andere als beliebig: Er ist immer exakt das, was für mich Sinn macht. Für dich Sinn macht. Für Sie Sinn macht. Alle Pronomen im Singular sind hier zulässig … Im Plural allerdings nicht – denn dann würde ich ja über andere (mit)bestimmen. Genau das soll nicht geschehen.

Ich kann geben – wie Mutter und Sohn Uschtrin, großzügig teilen – auch sehr spezielles Wissen wie Michael Braungart. Dann beziehe ich andere Menschen ein. Das geht hervorragend. Der Eigensinn bleibt immer bei den „Urheber:innen“.

Es geht um „das Menschliche“

Wir eigensinnigen Menschen können anstiften – zu Neuem, hoffentlich Besserem. Können durch das Leben, das wir leben, vorangehen. Können uns mithilfe unseres Eigensinns wie der legendäre Baron Münchhausen selbst aus jedem Sumpf ziehen. Können mithilfe unseres Eigensinns glücklich werden – und damit auch andere Menschen glücklich machen. Können Dinge realisieren, die kein Mensch – außer uns – für realisierbar gehalten hat. Können dadurch, dass wir unserem Eigensinn vertrauen, anderen Menschen etwas geben, oft Liebevolles, Zugewandtes. Können die Unbeirrbarkeit unseres Eigensinns in den Dienst von anderen stellen. Können Kreativität und Farbe in die Welt bringen. Können uns der Vereinheitlichung – durch KI oder andere, meist wirtschaftlich getriebene Entwicklungen – entgegenstellen, mit aller Kraft des Menschlichen, des Unperfekten, Sinnlichen, Zufälligen, Visionären oder einfach dem, was für uns gerade naheliegt. Können mutig Wege gehen, die noch niemand vor uns gegangen ist – weil sie für uns sinnvoll sind. Und sehr oft werden uns die weniger mutigen Menschen im Nachhinein recht geben, manchmal sogar dankbar dafür sein, dass wir getan haben, was andere sich nicht getraut haben.

Von alldem wollte ich erzählen. Es ist für mich gelebter Eigensinn. Das gute Beispiel. Das ungewöhnliche, das mutige Leben. Die sehr eigenen Gedanken, die Konsequenzen nach sich ziehen. Die völlig eigene Sicht auf die Welt – und das, was für die oder den Einzelnen daraus folgt. Reflektiert, aber ohne Zeigefinger, ohne Lehr-Attitude, immer voll mit gelebter Individualität. Wieder und wieder neu … Das noch nicht Geschriebene, das noch nicht Getane, noch nicht Gelebte. Und doch so vertraut, so menschlich – weil Eigensinn immer schon da war.

Gelebter Eigensinn, Buchcover

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