Dein Ernst?!

Einen Mann, der vor mehr als 500 Jahren gelebt hat, willst du jetzt zum „Godfather of Eigensinn“ erklären?!

Maria Almana mirt zwei Büchern von Michel de Montaigne in der Hand.

Ja, das ist mein Ernst. Ja, Michel de Montaigne hat von 1533 bis 1592 gelebt – und doch können wir seine Texte heute noch wunderbar lesen. Er ist mehr oder weniger der „Erfinder“ der Essais – einer Textform, die kaum wie eine andere dazu geeignet ist, den Eigensinn zu repräsentieren. Denn übersetzt bedeutet „Essay“ erst einmal nichts anderes als: „Ich versuch’s mal.“ Keine starren Vorgaben, Versmaße (ja, so was gab’s vor 500 Jahren noch …), Formverpflichtungen oder sonst wie Einengendes. Außerdem war Montaigne wirklich sehr eigen, was seine Auffassung vom Schreiben betraf.

Subjektiv, unvollkommen. Und eigensinnig

So hat er beispielsweise von Anfang an ganz klar eine Lanze dafür gebrochen hat, subjektiv und „unvollkommen“ sein zu dürfen. Er schrieb etwa: „Ich kümmere mich nicht so viel darum, wie ich mit andern stehe, als ich mich darum bekümmere, wie ich mit mir selbst stehe.“ Wunderbare Voraussetzungen für den Eigensinn! Doch er war weder größenwahnsinnig noch neigte er zur Selbstüberschätzung … Ganz im Gegenteil: In mehr als einem seiner Essais gesteht er freimütig, was er alles nicht konnte. Ich glaube sogar oft, dabei ein heimliches Augenzwinkern zu erkennen.

Freiheit!

Ebenfalls erstaunlich finde ich: Zeitgenossen haben seine Subjektivität nicht nur akzeptiert – so ungewöhnlich es auch für sie gewesen sein mag. Nein, sie haben ihn sogar darin bestärkt – fast könnte man sagen, er galt als eine Art Geheimwaffe in brenzligen Situationen, in denen nichts anderes mehr funktionierte als eben, nun: ein eigensinniger Mensch, der keiner „Partei“ im weitesten Sinn angehörte.

„Brenzlige Situationen“ gab es zu Montaignes Lebzeiten massenhaft: Kriege und Thronstreitigkeiten, religiöse Querelen aller Art. Nichts davon war harmlos. Alles konnte den sofortigen Tod bedeuten. Montaigne wusste das genau. Und hat es doch mit einer Art Gelassenheit hingenommen, die uns heute noch staunend zurücklassen kann. Er ging seinen Weg. Punkt. Türen und Tore zu seinem kleinen, ländlichen Schloss beispielsweise versuchte er gar nicht erst zu sichern – genau das schien ihm der größtmögliche Schutz zu sein: Ich habe nichts zu verbergen, also lohnt es sich auch nicht, hier einzubrechen. Im übertragenen Sinn lässt sich darin auch eine – seine – Auffassung von Freiheit finden.

Und wenn dieser Weg es dummerweise mit sich brachte, dass er dann doch nicht weiter an seinen damals schon weltberühmten Essais schreiben konnte, dann war das eben so. Seine Lebensweise, seine Gewohnheiten, sein Denken und Handeln wurden davon in keiner Weise tangiert. Hat er einfach nicht zugelassen.

Also, für mich ist das Eigensinn pur! Danke, Monsieur de Montaigne!

Zwei Buchtitel von Michel de Montaigne: über sich selbst. Und die berühmten Essaies.

In Band drei meiner Trilogie, Gelebter Eigensinn, widme ich ein ganzes Kapitel „meinem Godfather of Eigensinn“ – das Buch kann beispielsweise hier gekauft werden. Aber auch überall sonst, wo es Bücher gibt.

Cover von "Gelebter Eigensinn"